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Ex-Lufthansa Cargo CCO Dr. Alexis von Hoensbroech im Gespräch

„… zwei Flügel, zwei große Triebwerke, 100 Tonnen Nutzlast und 10.000 km Reichweite.“

Lufthansa Cargo und cargo-partner verbindet eine langjährige Zusammenarbeit. Eine Folge der engen Kooperation zwischen beiden Unternehmen ist auch das exzellente Verhältnis mit Dr. Alexis von Hoensbroech, der bis Ende Juli als CCO bei Lufthansa Cargo tätig war, ehe er danach direkt  zu Austrian wechselte. Wir haben das zum Anlass genommen und ihn dazu eingeladen, mit uns über die neuesten Entwicklungen in der Luftfracht zu sprechen…

„Die einzige Fracht-Drohne, die vermutlich in ferner Zukunft Realität wird, hat zwei Flügel, zwei Triebwerke, 100 t Nutzlast und 10.000 km Reichweite.“

Dr. Hoensbroech wagt eine Zukunftsaussage über Drohnen.

„… die weltweite Luftfracht wird in 20 Jahren deutlich größer sein als heute.“

Der neue Austrian CEO sieht viel Potential in der Luftfracht.

 

Interviewer: Als Sie Ihren aktuellen Job bei Lufthansa Cargo vor dreieinhalb Jahren antraten, erwähnten Sie in einem Interview, dass Sie für Ihren „new kid on the block“-Status dankbar sind, weil Sie sich dadurch einen etwas distanzierteren Blick von außen auf die Branche behalten konnten. Sehen Sie sich mittlerweile als „Veteran“ und wie hat sich diese Distanz im Nachhinein bewährt?

Alexis von Hoensbroech: Sachkenntnis ist grundsätzlich sehr hilfreich, Unwissenheit kann aber auch eine Stärke sein, da der Blick nicht von Fachkompetenz verstellt wird. Aber nur dann, wenn man gut zuhört, schnell lernt und sich nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten lässt.
„Veteran“ ist in diesem Zusammenhang vielleicht ein zu großes Wort, ich fühle mich nach 3,5 Jahren immer noch als „Neuling“. Aber inzwischen kenne ich mich recht gut in der Luftfracht aus. Die Distanz war da schon sehr hilfreich, v.a. als es während der Restrukturierung darum ging, langjährige Strukturen aufzubrechen, aber auch komplex gewachsene Angebote an unsere Kunden radikal zu vereinfachen. Etwa unsere Incentive-Vereinbarungen oder Kapazitätsverträge.

Im Bereich des Personentransports hat die Luftfahrtbranche in der vergangenen Dekade einen immensen Wandel durchgemacht:  Flugstatus-Updates in Echtzeit, moderne Online-Buchungssysteme, Self-Check-in, hohe Transparenz für die Gäste und dann auch noch die fast vollständige Eliminierung von papierhaften Tickets und damit verbundener Vorgänge. Die Luftfrachtbranche wiederum gilt als „Digitalisierungsmuffel“, die hier ein wenig hinterher hinkt und teilweise weiterhin auf ausgedruckte Air Waybills setzt. Wie dringend sehen Sie hier den Druck zur Innovation?

Sehr dringend! Es gibt noch zu viel Optimierungspotential in der Transportkette, insgesamt bieten wir noch ein viel zu kompliziertes „Kundenerlebnis“. Unserer Industrie mangelt es nicht an guten Ideen, aber wir sind einfach entsetzlich langsam! Es brauchte über zehn Jahre, um von der Idee eines eAWB zu einem funktionierenden Produkt zu kommen und weitere acht Jahre, um 50% Nutzungsquote zu erreichen. Und dabei ist der eAWB nur der erste Schritt.

Die Welt wartet nicht auf uns, in den letzten sechs Jahren wurden über 5 Milliarden US-Dollar in Logistik-Startups investiert. Es besteht die Gefahr, dass irgendwann andere unsere Jobs besser machen als wir – es sei denn, wir geben selber richtig Gas in Sachen Digitalisierung!

Die Luftfrachtbranche fußt in ihrem Erfolg vor allem auf dem raschen Transport von Waren und kein Schiff der Welt könnte es mit diesem Plus aufnehmen. Den Vorteil dringend benötigte Waren innerhalb kürzester Zeit an einem bestimmten Ort der Welt zu bringen, damit z.B. eine Produktionsanlage nicht still steht, könnte mit dem zunehmenden Fortschritt in der 3D-Drucktechnologie jedoch zu einem Ende kommen. Manche Beobachter stimmen bereits zu einem partiellen Abgesang der Luftfracht an – wie schätzen Sie diese spannende Entwicklung ein?

3D-Druck wird keine große Auswirkung auf Luftfracht haben. Es ist noch ein sehr langer Weg, bis ein iPhone aus dem 3D-Drucker kommt. Und selbst wenn es eines Tages so weit sein sollte:   3D-Drucker werden sehr komplexe Großmaschinen sein, die dann in großen Fabriken stehen. Und deren Output muss dann wieder transportiert werden. Wir vermuten, dass nur ein kleiner einstelliger %-Satz Luftfracht durch 3D-Druck substituierbar ist.

Neben 3D-Druck, gilt auch drohnengestützter Warentransport derzeit als „Hype-Topic“. Sehen Sie bei den kleinen Cousins der Luftfrachtbranche ein potentielles First- bzw. Lastmile-Transportmittel? Wann erwarten Sie hierbei die Marktreife für eine sinnvolle Umsetzung?

Drohnen sehe ich überhaupt nicht als relevante Technologie für den Massentransport von Waren, schon gar nicht auf der First-/Last Mile. Es ist schwer vorstellbar, dass Drohnen die Kostengünstigkeit eines Mercedes Sprinter erreichen. Außerdem gibt es massive technologische und regulative Schwierigkeiten: Wie garantiert man, dass bei tausenden Drohnen in den Innenstädten keine runterfällt? Wie vermeidet man, dass sie gehackt werden? Was ist mit der Lärmbelastung? Mit dem Aufwirbeln von Staub und Steinen an jeder Ecke? Wie verteilt eine Drohne Päckchen in einem Mehrfamilienhaus? Und wie sieht die Energieversorgung aus? Unserer Meinung nach bieten Drohnen nur Potential für wenige Nischen-Anwendungen, die heute schon typischerweise mit Helikoptern geflogen werden, z.B. Medikamente in ein entlegenes Dorf im Dschungel zu transportieren. Die einzige Fracht-Drohne, die vermutlich irgendwann in fernerer Zukunft Realität wird, hat zwei Flügel, zwei große Triebwerke, 100 Tonnen Nutzlast und 10.000km Reichweite.

Stichwort Trends und Herausforderung in der Luftfracht - Wo liegen diese heute und wo werden sie „morgen“ sein? Und um auch einen Blick auf „Übermorgen“ zu werfen – in welcher Position sehen Sie Luftfracht beispielsweise in 20 Jahren?

Luftfracht wächst kontinuierlich seit 100 Jahren – und wird dies auch zukünftig tun. Globalisierung ohne Luftfracht ist einfach nicht mehr vorstellbar, 25% des weltweit gehandelten Warenwertes fliegt per Flugzeug. Fundamentale Trends sind intakt: Globalisierung, wachsende Mittelschichten in Entwicklungsländern, der Trend zu eCommerce, verstärkte weltweite Arbeitsteilung. Meine Prognose ist, dass die weltweite Luftfracht in 20 Jahren deutlich größer sein wird als heute.

Manche Beobachter meinen, dass mit Donald Trumps protektionistischer Wirtschaftspolitik und dem anstehenden Brexit es unter Umständen zu einem Einbremsen der Globalisierungstendenzen kommen könnte. Sehen Sie Gefahr, dass diese Entwicklungen unserem Geschäftsfeld auf Dauer schaden werden?

Globalisierung hat sich in der Vergangenheit immer sehr robust gegen Protektionismus gezeigt, daher ist die Gefahr langfristig eher gering. Aber kurzfristig könnte ein stark eskalierender Handelskonflikt natürlich dämpfend auf den Welthandel wirken.

China pusht derzeit seine Bestrebungen im Rahmen der „neuen Seidenstraße“: Der Ausbau des Schienenkorridors durch Zentralasien und Russland beeindruckt bereits durch hohe Wachstumsraten mit seinem Kompromiss zwischen Transportdauer und –kosten. Könnte der Schienenverkehr in manchen Bereichen zu einer Neuverteilung globaler Warenströme zwischen See- und Luftfracht führen?

Die Schiene wird absehbar zwischen China und Europa an Bedeutung zunehmen  – aber nur so lange die Chinesen sie weiter massiv subventionieren. Ob es sich  jemals zu einem eigenständig tragfähigen Geschäftsmodell entwickelt bleibt abzuwarten.Derzeit konkurriert der Zug hauptsächlich mit der Seefracht. Aber natürlich gibt es auch Auswirkungen auf die Luftfracht. Bislang werden sie aber vom starken Wachstum auf der asiatischen Tradelane deutlich überkompensiert.

Lufthansa Cargo und cargo-partner verbindet eine enge und lange Partnerschaft. Wie sehen Sie die Kooperation beider Unternehmen - und wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit einem mittelgroßen Logistikanbieter wie uns und den sogenannten „Big Playern“ der Branche?

Lufthansa Cargo arbeitet sehr gerne mit mittelgroßen Spediteuren wie cargo-partner zusammen. Uns verbindet eine ähnliche DNA, der Fokus auf Qualität, Verlässlichkeit und Vertrauen. Es geht hier um individuelle Lösungen und weniger um  „Massenkonsolidierung“ wie bei Großspediteuren. Diese brauchen wir zwar auch, sonst könnten wir unsere großen Kapazitäten nicht 24/7/365 füllen, aber die Mischung macht’s!

cargo-partner und Lufthansa Cargo verbindet eine jahrelange gute und enge Partnerschaft, professionell wie persönlich, gemeinsam konnten wir ein attraktives Angebot für Ihre Kunden entwickeln. Dies führt zu einem sehr erfolgreichen und kontinuierlichen gemeinsamen Wachstum. Und das möchten wir unbedingt fortsetzen!

„Die Schiene wird absehbar zwischen China und Europa an Bedeutung zunehmen  – aber nur so lange China massiv subventioniert.“

Über die mögliche Konkurrenz der neuen Seidenstrasse.

„Uns verbindet eine ähnliche DNA, der Fokus auf Qualität, Verlässlichkeit und Vertrauen. Es geht um individuelle Lösungen…“

Über die mögliche Konkurrenz der neuen Seidenstrasse.

Nach knapp 3,5 Jahren bei Lufthansa Cargo sind Sie Anfang August zu Austrian gewechselt – einem Passenger-Carrier. Wie blicken sie auf Ihre Zeit im Air-Cargo Bereich zurück? Auf welche Ihrer Projekte und Vorhaben sind Sie besonders stolz, bei welchen Herausforderungen hätten Sie gerne weiterhin den Fortschritt der Projekte beobachtet?

Mit Lufthansa Cargo verbinde ich eine tolle Zeit, tolle Menschen, es war nie langweilig. Wir sind  in den 3,5 Jahren durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Besonders stolz macht mich der erfolgreiche Turnaround 2017, den wir als Team gemeinsam erreicht haben. Auch die Verschlankung unserer Organisationsstruktur, die Modernisierung vieler Prozesse, insbesondere im Pricing, Revenue Management, Langfristverträge, Kundenbindungsprogramm, etc. sehe ich als großen Erfolg an.

Die Digitalisierung liegt mir sehr am Herzen. Diese hätte ich gern noch weiter begleitet. Wir haben viel auf den Weg gebracht, aber noch (lange) nicht abgeschlossenen.
Ich habe während meiner Zeit bei der Cargo viele nette und beeindruckende Menschen kennengelernt. Und ich bedaure es,  dass sich unsere Wege jetzt wieder stärker trennen werden.

Von einem Carrier mit 19 Frachtflugzeugen und großen „Bellykapazitäten“ im Rahmen der gesamten Lufthansa Group, wechseln Sie nun zu einer Fluglinie mit 83 Flugzeugen, rund 130 Destinationen und über 12 Millionen Passagieren jährlich. Möchten Sie auch dieses Mal den „new kid on the block“-Status beibehalten?

Dieses Mal wird es etwas anders, im Passagiergeschäft kenne ich mich bereits sehr gut aus. Und die Austrian Airlines ist eine großartige Marke, ein stolzes Unternehmen mit viel Potential. Ich freue mich auf die spannende Aufgabe und werde mich bemühen, mit möglichst unverstelltem Blick das Unternehmen, die Menschen, die Kunden und die Partner kennenzulernen und gemeinsam mit meinen neuen Kollegen in eine hoffentlich erfolgreiche Zukunft zu führen.

Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren neuen Aufgaben.

Biographie Alexis von Hoensbroech


Seit Ende 2014 ist Dr. Alexis von Hoensbroech Mitglied des Vorstands von Lufthansa Cargo und verantwortet neben dem weltweiten Vertrieb zusätzlich das Handling außerhalb der Hubs Frankfurt und München, das Produktmanagement, das Revenue Management, die Netzplanung sowie das Plattformmanagement der Austrian Airlines und das strategische Projekt eCargo.

Er studierte Physik an der Universität Bonn und promovierte anschließend in einem Thema aus der Astrophysik am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Nach Stationen als Projektleiter bei The Boston Consulting Group in München und Tokio wechselte Dr. Alexis von Hoensbroech 2005 zur Deutschen Lufthansa AG und übernahm Verantwortung in vielen unterschiedlichen Bereichen und Projekten. Am 1. August 2018 wechselte er innerhalb des Konzerns zu Austrian.

Dr. Alexis von Hoensbroech ist verheiratet und hat fünf Kinder.