Vor 75 Jahren begann die Blockade Berlins durch die Sowjetunion und von einem Moment auf den anderen blieben Millionen Berliner:innen ohne Versorgung. Unter der Federführung der Westmächte entschied man sich kurzerhand, die Metropole aus der Luft zu versorgen. Der Beginn einer bis dato für unmöglich gehaltenen logistischen Meisterleistung nahm seinen Lauf. Man versorgte die Bewohner:innen nicht nur mit Nahrung und Medizin, sondern lieferte über den Winter auch tonnenweise Heizmittel. Erfahren Sie mehr über die sogenannte „Luftbrücke“, 1.398 Flüge in 24 Stunden, „Rosinenbomber“, Kamele und mit Salz gefüllte Wasserflugzeuge, die in Berliner Seen landeten.
Die Berliner Luftbrücke diente der Versorgung des Westteils der Stadt Berlin durch Flugzeuge der Westalliierten, nachdem die sowjetische Besatzungsmacht die Land- und Wasserwege ins international verwaltete West-Berlin vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 blockiert hatte. Doch wie kam es überhaupt soweit?
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt und von den siegreichen Alliierten verwaltet. Die ehemalige Hauptstadt, Berlin (ebenfalls in vier Besatzungszonen geteilt), lag damals als Exklave mitten im sowjetisch besetzten Gebiet. Unmittelbar nach dem gemeinsamen Sieg gegen das Dritte Reich begann sich das Verhältnis zwischen dem Westen und der Sowjetunion zunehmend zu verschlechtern und mündete in den „Kalten Krieg“. Besonders in Deutschland kämpfte man um Einfluss und Macht. Eine im Juni 1948 von den Westalliierten durchgeführte Währungsreform in den drei Westzonen nahm die sowjetische Besatzung dann zum Anlass einer unbefristeten Blockade.
Zunächst wurden die Westsektoren Berlins in der Nacht auf den 24. Juni 1948 von der Stromversorgung aus der sowjetisch besetzten Zone abgeschnitten. Wenig später folgte die Unterbrechung des gesamten Güter- und Personenverkehrs auf Straßen und Schienen. Bei der Ankündigung der Blockade betonten die Sowjets, dass „West-Berlin“ nicht aus der sowjetischen Zone oder von Ost-Berlin aus versorgt werden kann.
Die Westmächte hatten zwar mit einer Reaktion auf die Währungsreform gerechnet, aber diese totale Blockade traf sie unvorbereitet. Dennoch machte man sich umgehend daran, die vom Krieg gezeichnete Stadt – als wichtiges Symbol – aus der Luft zu versorgen.
In den westlichen Sektoren Berlins lebten damals etwa 2,2 Millionen Menschen. Hinzu kamen tausende alliierte Soldaten mit ihren Angehörigen. Als Millionenstadt musste Berlin nahezu komplett aus dem Umland versorgt werden, was zu etwa 75 % durch Importe aus dem Westen geschah. Hinzu kam, dass zu Beginn der Blockade nur geringe Vorräte eingelagert waren: Lebensmittel für lediglich 36 Tage, Medikamente für sechs Monate, Treibstoffe nur für wenige Wochen. Besonders kritisch war die Lage bei Steinkohle, welche sowohl zum Heizen als auch zur Stromgewinnung diente. Schon in den beiden Jahre zuvor hatten harsche Winter für schlimme Notlagen gesorgt. Es wurde mit strikten und entbehrungsreichen Rationierungen gerechnet...
Es erwies sich nun als Vorteil, dass sich die britischen Alliierten, nach mehreren Vorfällen im Vorfeld, Gedanken zu einer möglichen Luftbrücke gemacht hatten. Das Ergebnis zeigte zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer Versorgung der „Eingeschlossenen“ per Luftbrücke, wurde aber nur für die warme Jahreszeit für möglich gehalten. Es ging also darum, die Pläne anzupassen und auszuweiten.
Bereits am 26. Juni, zwei Tage nach Blockadebeginn, flogen die ersten Maschinen der US-amerikanischen Luftwaffe über einen der drei offiziellen Korridore nach Berlin. Die britische Luftwaffe startete ihrerseits am 28. Juni. Ab Anfang Juli bis zum Einsetzen des ersten Frosts im Dezember 1948 nutzten die Briten zudem auch Flugboote, die wegen ihrer Korrosionsfestigkeit bevorzugt mit Salz beladen wurden. Diese landeten in Berlin auf der Havel und auf dem Großen Wannsee.
Anfangs ging man davon aus, dass allenfalls 750 Tonnen Luftfracht pro Tag möglich sein würden. Es ist daher verständlich, dass selbst die Berliner:innen befürchteten, trotz der Luftbrücke nicht über den Winter zu kommen und deshalb gegenüber den russischen Mächten kapitulieren zu müssen.
Um die notwendigen Transportmengen zu erzielen, mussten also sowohl Fluggeräte als auch Personal aufgestockt werden. Dank konstanter Verbesserungen war man Ende Juli 1948 schon bei über 2.000 Tonnen pro Tag.
Die massiven Steigerungen der eingeflogenen Mengen beruhten vor allem auf einer Optimierung hinsichtlich der Flugzeugtypen, der Landebahnen, der Flugzeugwartung, der Entladevorgänge und der Flugrouten. Bei Letzteren half ein ausgeklügeltes System: Die drei Luftkorridore wurden als Einbahnstraßen verwendet, wobei die „äußeren“ für Hinflüge dienten und der mittlere Korridor für Rückflüge in den Westen bereit stand. In den Korridoren flogen die Flugzeuge auf fünf „Etagen“ mit einem Höhenabstand von lediglich 150 Metern!
Um gefährliche Staus und unübersichtliche Situationen auf den Flugplätzen zu vermeiden, ordnete man an, dass Maschinen, deren Landung misslungen war, zu ihrem Ausgangsflughafen zurückfliegen und sich dort neu in die Kette Richtung Berlin einreihen mussten. Mit diesem „mehrgeschossigen Fließband“ war es möglich, dass alle drei Minuten ein Flugzeug landete. Eine logistische Meisterleistung, die man anfangs selbst für kaum möglich gehalten hat.
Zu Beginn setzten die amerikanischen Streitkräfte die zweimotorige „C-47 Skytrain“ beziehungsweise deren ziviles Pendant, die DC-3, ein. Diese Maschinen erwiesen sich mit einer Zuladung von drei Tonnen als zu klein. Sie wurden schnell durch die viermotorige „C-54 Skymaster“ (bzw. DC-4) ersetzt, die immerhin neun Tonnen Ladung aufnehmen konnte und zudem auch schneller war. Aus heutiger Sicht war die Leistungsfähigkeit lächerlich gering, kann eine An-124 beispielsweise 150 Tonnen transportieren. Umso bemerkenswerter sind die Leistungen im Rahmen der Berliner Luftbrücke.
Insgesamt waren während der Luftbrücke 330 der Skytrains im Einsatz (davon allein 225 Stück von den Vereinigten Staaten), was den größten Anteil der eingesetzten Flugzeuge ausmachte. Andere amerikanische Maschinen wie die „C-97 Stratofreighter“ und die „C-74 Globemaster, die für damalige Verhältnisse gigantische 20 Tonnen fassen konnten, wurden nur vereinzelt genutzt.
Dass sich die USA weitgehend auf einen Flugzeugtyp beschränkten, vereinfachte und optimierte die gesamte Logistik. Da die Flugzeuge die gleiche Reisegeschwindigkeit und Flugcharakteristik hatten, konnten sie näher beieinander fliegen, was die Frequenz von Starts und Landungen erhöhte. Auch die Wartung und Ersatzteilbeschaffung waren dadurch einfacher und effizienter. Die Besatzungen konnten problemlos auf andere Maschinen desselben Typs wechseln und auch das Be- und Entladen konnte rascher abgewickelt werden. Durch eine straffe Organisation der technischen Wartungsarbeiten konnte der Zeitaufwand von 75 auf 30 Minuten pro Flugzeug reduziert werden.
In Berlin wurden die Flughäfen Gatow, Tempelhof und Tegel angeflogen. Anfangs gab es in Gatow und Tempelhof lediglich unbefestigte Graspisten und es mussten schlagartig richtige Pisten angelegt werden, die winterfest waren und den Belastung der massenhaften Start- und Landevorgänge gewachsen waren. In Tegel waren auf einem Übungsplatz bis zu 19.000 Arbeiter:innen (darunter etwa die Hälfte Frauen) rund um die Uhr im Einsatz und errichten in der Rekordzeit von 90 Tagen die notwendigsten Flughafengebäude sowie die damals mit 2.400 Metern längste Start- und Landebahn Europas.
Der Name „candy bomber“ nimmt Bezug auf die freiwilligen Hilfspakete, die die US-amerikanischen Flugzeugbesatzungen vor der Landung an kleinen selbstgebastelten Fallschirmen aus den Flugzeugen warfen, um den wartenden Kindern eine Freude zu machen. Die abgeworfenen Päckchen enthielten meistens Schokolade oder Kaugummi. Nachdem die Medien von den heimlichen Abwürfen erfuhren, zog die Aktion bald weite Kreise und die gesamte Air-Force, aber auch zivile Initiativen sammelten Süßigkeiten für Berlins Kinder. Diese freuten sich riesig und warteten immer sehnsüchtig auf die Überflüge. Von den Einheimischen wurden die Maschinen liebevoll „Rosinenbomber“ genannt.
Ebenfalls unterhaltsam ist auch die folgende Geschichte: Ein Kamel namens Clarence wurde als Maskottchen eines US-Stützpunkts nach Berlin geflogen, um den Kindern eine Freude zu bereiten. Leider musste Clarence wegen eines gebrochenen Beins gegen ein eigens aus Nordafrika besorgtes Kamel ausgetauscht werden. Es stellte sich jedoch heraus, dass dieses weiblich war und somit eigentlich Clarissa hieß. Clarissa wurde dennoch unter dem Namen Clarence im Oktober 1948 nach Berlin gebracht. Aus den gefüllten Packtaschen erhielten die Kinder dann schließlich ihre Geschenke und Süßigkeiten.
Die gesamte Berliner Luftbrücke ist ein Idealbeispiel für eine bis ins kleinste Detail optimierte Logistik, wenngleich der milde Winter 1948/1949 für Berlin bestimmt ebenfalls ein Glücksfall war.
Angesichts des mit der Luftbrücke demonstrierten Willens, West-Berlin vor einer sowjetischen Annexion zu bewahren, und der für die Wirtschaft nachteiligen Folgen des sich anbahnenden „Ostblocks“ (der Westen verhängte eine Gegenblockade), wurde die Sperre Berlins am 12. Mai 1949 aufgehoben. Nach weniger als einem Jahr Blockade entspannte sich die Lage allmählich und die Anzahl der Flüge wurde schrittweise verringert, bis Lagerbestände für etwa zwei Monate erreicht waren. Am 30. September 1949 wurde die Luftbrücke offiziell eingestellt und an diesem Tag landete der letzte „Rosinenbomber“ mit zehn Tonnen Kohle an Bord. Bravo!
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