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Wenn die Abgase aus Wasserdampf bestehen

Der (Wasser-)Stoff, aus dem die Träume sind

Der Kampf gegen den globalen CO2-Anstieg und die zunehmende Erderwärmung benötigt innovative und diversifizierte Ansätze. Wasserstoff rückt dabei als vielversprechender Energieträger auch im Straßenverkehr zunehmend in den Fokus. Der große Vorteil des Wasserstoffs: Als mobiler Speicher großer Energiemengen ist er unschlagbar und als Energiespeicher vielen Batterien überlegen. Vielseitig und flexibel, spricht im Grunde nichts gegen den Einsatz von Wasserstoff auf der Straße. Bei Autos ist man technisch noch nicht so weit, aber im Schwerlastverkehr hat diese Antriebsform definitiv Potential. Erfahren Sie mehr wie ein Hersteller wertvoller als Ford werden konnte, was Nikola Tesla damit zu tun hat und welche Nachteile diese an und für sich „grüne Technologie“ hat.

Schön langsam wird‘s konkreter: Im Bereich des Gütertransports per LKW bieten neue Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien erfolgversprechende und aufregende Möglichkeiten, Treibhaus-Emissionen zu verringern. Der hohe Wirkungsgrad von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen, vor allem im Vergleich zu Verbrennungsmotoren, könnte in der Onboard-Stromversorgung, aber auch bei der Elektrifizierung des Antriebs Einsatz finden. Doch auch die harmlosen Abgase und reduzierter Feinstaub sprechen für die Anwendung dieser alternativen Antriebsform im Güterverkehr. Berechnungen haben ergeben, dass pro wasserstoffbetriebenem LKW jährlich bis zu 70-80 Tonnen an CO2 eingespart werden können.

 

Derzeit noch eine Seltenheit

Trotz dieses attraktiven Potenzials und der bereits bestehenden Anwendungen im Privatpersonenverkehr ist der Einsatz im LKW-Bereich noch vernachlässigbar. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen für eine wirtschaftlich vertretbare Lösung: Zum einen spielt der Anteil an Kraftstoffkosten an den Gesamtkosten natürlich eine entscheidende Rolle. Neue, innovative Antriebssysteme, welche mit höheren Anschaffungskosten verbunden sind, zahlen sich unterm Strich nur aus, solange die Betriebskosten niedrig gehalten werden können. 

Zum anderen stellt die reduzierte Reichweite – noch – einen potenziellen Nachteil dar. Während ein 40-Tonner mit konventionellem Antrieb durchschnittlich 2.500 Kilometer fährt, schafft ein mit Wasserstoff- und Brennstoffzellen betriebener LKW mit gleichem Gewicht und Tankvolumen hingegen nur 300-400 Kilometer.  Diese Reichweite lässt sich potenziell zwar mit höherer Energiedichte und größerem Tank auf bis zu 1.000 Kilometer ausweiten – allerdings nur, wenn die EU-Richtlinie 2015/719 mit der Sonderregelung für Brennstoffzellenfahrzeuge zur Anwendung kommt. Sie erlaubt ein höheres Gewicht und eine größere Länge für LKWs, welche zur Reduzierung von Schadstoffemissionen beitragen.

Und dann geht es ganz allgemein noch um die Betankung, denn erst mit einer flächendeckenden Versorgungs- und Tankstelleninfrastruktur werden wasserstoffbetriebene LKWs auf unseren Straßen ein üblicher Anblick.

 

Innovatoren legen los!

Trotz dieser Herausforderungen gibt es immer mehr Unternehmen, für die offensichtlich das positive Potenzial für die Umwelt die momentanen wirtschaftlichen Nachteile aufwiegen und die kräftig in Forschung und Entwicklung bei diesem Thema investieren. Vor allem Asien – allen voran China – und die USA sind vorne dabei. Unter den Autoherstellern gilt Toyota als einer der absoluten Vorreiter.

Besonders interessant sind aber die Innovatoren in der LKW-Branche: Ein relativer Newcomer ist das amerikanische Start-up Hyzon Motors Inc., dessen Brennstoffzellen Wasserstoff in elektrische Energie für ihre Elektromotoren umwandeln. Bereits für Ende dieses Jahrs sind erste Stadtbusse und LKWs mit einem Gesamtgewicht von 15 bis 40 Tonnen, bis 2021 dann bis zu 80 Tonnen, geplant. Diese sollen voraussichtlich eine Reichweite von 400 bis 500 Kilometern erreichen. Doch das Unternehmen träumt schon von weiteren Höhen und Innovationen und hat einen Schwerlast-Brennstoffzellen-LKW mit einem Gesamtgewicht von 140 Tonnen, den Road Train, angekündigt. 

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der US-Fahrzeughersteller Nikola, wecher nach dem berühmten und genialen Erfinder Nikola Tesla benannt wurde. Nikola setzt aber nicht ausschließlich auf Wasserstoff, denn 2021 soll ein Truck in einer batterieelektrischen Variante auf den Markt kommen: ein Elektrolastkraftwagen mit einem großen Wasserstofftank hinter der Fahrerkabine und einer Brennstoffzelle, welche mit der dadurch gewonnenen elektrischen Energie die Batterie während der Fahrt auflädt. Der Hersteller geht sogar so weit und entwickelt drei Fahrzeugmodelle, welche auch die regionalen Eigenheiten des LKW-Marktes in den USA und Europa berücksichtigen. 2022 soll die europäische Variante des Trucks über die Autobahnen rollen. Die Pläne klingen ambitioniert, aber vielversprechend. So verwundert es nicht, dass die Nikola Motor Company Anfang Juni 2020 an der NASDAQ ein fulminantes Börsendebüt hingelegt hat. Anleger rissen sich um die Anteile und zeitweise war das Unternehmen sogar mehr wert als Ford.

Mit Wasserstoff in die Zukunft:

Die Schweiz macht‘s vor

Ein weiterer Front-Runner im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellen-LKW ist die privatwirtschaftliche Schweizer Initiative H2 Mobilität, die sich nichts Geringeres als die weltweit größte Wasserstoff-LKW-Flotte zum Ziel gesetzt hat. Ursprünglich angetrieben wurde die Initiative vom Schweizer Einzelhändler Coop, der einen ersten Wasserstoff-LKW mit 34 Tonnen entwickeln ließ. Dieses LKW-Modell mit einer Reichweite von 400 Kilometern bekam bereits 2017 seine Zulassung und beweist seitdem auf den Schweizer Straßen, dass es den Anforderungen des Lastkraftwagenverkehrs gewachsen ist – und das ganz ohne schädliche Abgase.

Nach ersten Schwierigkeiten, in Europa einen Hersteller für die Serienproduktion zu finden, kam schließlich der koreanische Auto-Gigant Hyundai mit an Bord und übernahm die Produktion. Durch eine spezifisch hierfür in der Schweiz gegründete Firma namens Hyundai Hydrogen Mobility stellt dieser die Wasserstoff-LKWs auf Basis von Bezahlung pro gefahrenem Kilometer (pay-per-use) zur Verfügung. Man sieht, nicht nur der Antrieb ist hier innovativ.

H2 Mobilität ist seit seiner Gründung 2018 auf 17 Mitglieder angewachsen und umfasst derzeit Einzelhändler, Tankstellenbetreiber, Autohändler und Logistiker. Diese kümmern sich um die Infrastruktur und planen, bis 2023 ein flächendeckendes Wasserstofftankstellennetz aufzubauen. Bis Ende 2020 stehen 50 Wasserstoff-LKWs bereit, doch bereits bis 2025 sollen sogar 1.600 von diesen innovativen Motoren die wachsende Nachfrage nach einem erneuerbaren, nachhaltigeren Schwerlaster-Güterverkehr abdecken.

 

Nicht automatisch umweltfreundlich

Eine hartnäckige Nuss bleibt jedoch nach wie vor zu knacken, ist doch der Rohstoff Wasserstoff zwar unendlich in der Natur vorhanden – allerdings muss auch er für die weitere Verwendung erst gewonnen und verarbeitet werden. Gängig ist derzeit noch die Herstellung aus Erdgas, wobei aber erneut ein fossiler Energieträger zum Einsatz kommt. Diese Variante ist verständlicherweise bei weitem nicht komplett nachhaltig. Umweltverträglicher ist die Erzeugung durch Elektrolyse, also die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, was allerdings selbst viel Energie benötigt. Hier zeigt sich auch leider die Problematik: Umweltfreundlich ist die Technologie nur dann, wenn zur Herstellung von Wasserstoff ausschließlich erneuerbare, saubere Energie verwendet wird.  Wenn es also gelingt, ausreichend grünen Strom herzustellen, dann sieht es sehr gut aus mit dem Wasserstoff als Antriebsform. Bis dahin befindet man sich in einem Dilemma, das hoffentlich bald gelöst werden kann. Immerhin warten bereits erste vielversprechende Projekte von Flugzeugen, die mit Wasserstoff statt Kerosin abheben. Aber dieses Thema ist definitiv einen eigenen Artikel wert.

Gut zu wissen: H2 als „Sprit“

Wasserstoff kann grundsätzlich in Verbrennungsmotoren, Elektromotoren und Antriebssystemen mit Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. 

  • Im Wasserstoffverbrennungsmotor wird Wasserstoff als Kraftstoff eingesetzt, der durch eine Knallgasreaktion meist nach dem Ottoprinzip den Motor am Laufen hält.
  • Brennstoffzellenfahrzeuge sind Transportmittel, bei denen die elektrische Energie in einer Brennstoffzelle mittels Wasserstoff lokal erzeugt und in Bewegung umgewandelt oder zeitweise in einer Traktionsbatterie zwischengespeichert wird. Als „Abgas“ entsteht dabei Wasserdampf.
  • Beim E-Auto wird Energie normalerweise aus der Steckdose „getankt“ und im Akku für den weiteren Einsatz gespeichert. Alternativ können aber auch hier Brennstoffzellen als Energiewandler für den Antrieb des Elektromotors eingesetzt werden. 
  • Tests haben erwiesen, dass mit Wasserstofftanks ausgestattete Fahrzeuge im Falle eines Unfalls wesentlich ungefährlicher sind als solche mit Treibstofftanks. Die Mär von den rollenden „Knallgasbehältern“ kann somit ins Reich der Mythen verbannt werden.