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Wie eine junge Forscherin die Cold-Chain-Logistik revolutionierte

Immer schön cool bleiben

Frisch, unverfälscht und im Idealfall nachhaltig produziert – so wollen wir unser Essen auf den Tisch. Der Transport verderblicher Waren, insbesondere von Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch, benötigt besonderes Know-how und verlässliche Prozessqualität. Erfahren Sie mehr über eine junge Frau die freiwillig in einem Container wohnte um Kaffeebohnen zu retten. 

Unreife Bananen, eine junge Forscherin und ein Container-Labor

Der Transport von Lebensmitteln benötigt, vor allem in der Kühllogistik, besonderes Know-how und viel Sorgfalt- Bis die Kühllogistik beim Seetransport endgültig Marktreife erreichte, musste ein unkonventioneller Schritt getätigt werden: Sieben Jahre Forschung auf hoher See, in speziell dafür umgebauten Containern, um der rasant wachsenden Transportweise die letzten Kinderkrankheiten auszutreiben. Eine junge Forscherin stellte sich dieser Herausforderung.

 

Alles begann mit Bananen

Das Eintreffen des Segelschiffs „Reyward“ in New York 1803 mit 30 Stauden roter Bananen aus Kuba wird gerne als Initialzündung der heutigen Kühlschifffahrt und damit auch der modernen Kühlkettenlogistik zitiert. In den ersten Jahrzehnten drehte sich tatsächlich fast alles ausschließlich um Bananen. 1850 kamen sie bereits zunehmend auch aus mittelamerikanischen Ländern und wurden über Boston, New York und New Orleans in die USA importiert. Unangenehm nur, dass die Bananenstauden als Beiladung an Deck langsamer Segler transportiert wurden. Das hatte zur Folge, dass je nach Dauer bis zu 60% der Bananen auf diesen Fahrten vorzeitig reiften und ins Meer entsorgt werden mussten. 
Bereits 1880, als Siemens den ersten elektrischen Fahrstuhl präsentierte und Thomas Alva Edison eine verbesserte Glühbirne patentieren ließ, war Fleisch bereits zum wichtigsten Kühlgut international aufgestiegen, was auch die nächsten 80 Jahre so bleiben sollte. Allerdings hatte man nun einiges dazugelernt und zuerst mit Eis als Kältemittel, später mit Kaltluft aus Kühlräumen oder mit durch den Laderaum zirkulierenden Rohren, die mit Salzsole gefüllt waren und die Ladungswärme abgaben, beachtliche Erfolge erzielt.

 

Argentinische Steaks gefällig?

Um jedoch extreme Strecken etwa zwischen Australien und Europa lebensmitteltechnisch zu überbrücken, war nochmals ein Innovationssprung angesagt. 1874 schaffte der erste, mit Verdichter-Kältemaschinen ausgestattete Dampfer mit dem treffenden Namen „La Frigorifique“ eine erfolgreiche Fleisch-Lieferung von Buenos Aires ins französische Rouen. Das sprichwörtliche Eis war damit gebrochen. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Kühlschiffe sowie die Ladungskühlanlagen immer weiter verbessert und optimiert. Dafür wurden bereits an Land und im Alltag erprobte Verfahren - wie sie unsere ganz normalen Kühlschränke enthalten - an die besonderen Anforderungen des Schiffsbetriebes angepasst.

Die Forschungsumgebung: ein Container mit drei Abteilen, bestehend aus einem Maschinenraum mit Dieselgenerator, Kraftstofftank und Wassertank, einem Labor sowie einem Büro- und Wohnbereich mit Schreibtischen, Etagenbetten und Kochgelegenheiten.

 

Die Welt in 6,06 x 2,44 x 2,59 Meter

Als schließlich im April 1956 die ersten Container des amerikanischen Transportunternehmers Malcom McLean von Port Newark, Pennsylvania, nach Houston, Texas, auf Reisen gingen, war noch nicht erkennbar, welche Revolution hier ihren Ausgang genommen hatte: Immerhin wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten die Containerschifffahrt zu einer der wichtigsten Säulen des globalen Welthandels. Besonders geeignet für unterschiedlichste Massenstückgüter, die nun – unabhängig von ihrer Form oder bestimmten Lagerbedingungen - gleichzeitig transportiert werden konnten. Und das auch noch zu drastisch reduzierten Preisen. Die kurz darauf folgenden Kühlcontainer, auch Reefer TEUs genannt (temperaturgeführte „Twenty-Foot Equivalent Units“), brachten darüber hinaus noch weitere entscheidende Vorteile. Mit ihnen wurde es möglich, die Kühlkette zu schließen und auch kleine Ladungsmengen von empfindlichen Kühlgütern mittels intermodalen Verkehrs sicher in neue Zielmärkte zu bringen.

 

Qualität vor Masse

Trotz technischer Innovationen, verkürzter Lieferzeiten und immer präziserer Kenntnisse blieb die Haltbarkeit und Qualität der Kühlprodukte jedoch stets das beherrschende Thema. Bis heute. Haben doch auch Kühlanlagen ihre Tücken. Denn übermäßig gekühlt sind Lebensmittel nach dem Auftauen genauso ungenießbar wie ungekühlte Ware. Deshalb wollte der Gründer der US-Reederei Sea-Land und bereits erwähnte „Container-Erfinder“ Malcom McLean dem Problem mit einer ungewöhnlichen Maßnahme zu Leibe rücken. Er richtete auf einem seiner Schiffe ein Container-Labor ein, in dem Lebensmittel und ihre Veränderungen unter direkter Beobachtung und originären Bedingungen sozusagen „live“ analysiert werden sollten. Die perfekte Expertin für dieses Vorhaben fand er in der jungen Wissenschaftlerin Barbara Pratt, die 1976 ihr Physik-Studium an der Cornell University in New York abgeschlossen hatte.

 

Leben & forschen im Container

Die Forschungsumgebung: ein Container mit drei Abteilungen, bestehend aus Maschinenraum samt Dieselgenerator, Tank und Wassertank, einem Labor sowie einem Wohn- und Bürobereich mit Tischen, Koch- und Schlafmöglichkeiten. Die erste Herausforderung: Kakaobohnen, die aus der Dominikanischen Republik in die USA verschifft wurden und schimmlig ankamen. Die Erkenntnis: Durch die Sonneneinstrahlung untertags erhöhte sich die Temperatur in den Containern, was den Bohnen die Flüssigkeit entzog. Sobald die Container abkühlten, kondensierte die Flüssigkeit. Die Säcke der Bohnen wurden feucht, und es entstand Schimmel. Die Konsequenz: ein neues Belüftungssystem für Container, welches das Problem löste. Insgesamt sieben Jahre verbrachte Pratt mit ihrer Arbeit im Container-Labor und lieferte damit elementare Erkenntnisse für wesentliche Fragen der Kühlwarenlogistik, was etwa Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Belüftung betrifft. Analysiert wurden zahlreiche Gemüse- und Obstsorten sowie deren Anfälligkeit bzw. Verhalten unter unterschiedlichsten Bedingungen.

Dass die Beschäftigung mit dem Thema heute wesentlich einfacher oder zumindest ohne wochenlange Anwesenheit im Container von statten gehen könnte, ist einfach nachvollziehbar. Mit Hilfe moderner Computer müssten die errechneten Werte nicht mehr ständig beobachtet werden und Analysen mittlerweile doch auch aus der Ferne möglich, so Barbara Pratt in einem Interview. Pratt ist ihrem Beruf – oder Berufung – übrigens treu geblieben. Sie ist heute Experienced Refrigerated Transportation Executive bei Maersk Inc., dem Marktführer bei Containerschiffen, der Sea-Land 1999 übernommen hatte. Eine Berufsbezeichnung, die einfach perfekt auf sie zutrifft.