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Ein Gespräch mit Florian Danmayr, Manager des Automobil-Clusters bei Business Upper Austria

"Massive Einschränkungen sind vorbei, gestörte Lieferketten sind geblieben"

Der Automotive-Sektor ist ein weltweit bedeutender Industriezweig, der in den kommenden Jahren eine umfangreiche Transformation durchmachen wird. Zahlreiche Innovationen, wie beispielsweise autonomes Fahren oder ein Paradigmenwechsel bei der Antriebsart, warten am Horizont und "bewegen" die Branche. Selbstverständlich hatte auch die COVID-19 Pandemie einen großen Impakt auf den Automotive-Bereich. Wir nahmen das zum Anlass, um uns mit Florian Danmayr, einem absoluten Experten in diesem Bereich, zu unterhalten. Erfahren Sie mehr über reduzierte Magnesium-Abbauraten in China, die Bedeutung mittelständischer Unternehmen für die Branche und was mögliche Near-Shoring Trends mit einer CO₂-Bepreisung gemeinsam haben könnten.

"Dort, wo reine Kostenargumente zählen, sehe ich einen Trigger in Richtung Near-Shoring durch unsere Klimaziele. Sobald es einen CO₂-Preis inklusive Transport gibt und dies in die Kalkulation einfließen muss, werden die Karten neu gemischt. Das ist eine große Chance für die Produktion in Europa."

Florian Danmayr über mögliche Near-Shoring Trends im Automotive-Bereich.

Interviewer: Der Zusammenbruch internationaler Lieferketten im Rahmen der ersten COVID-Lockdowns war ein präzedenzloses Ereignis. Wie hat die Automotive-Industrie diesen Umstand erlebt? Was waren anfangs die größten Herausforderungen und welche Probleme stellten sich dann in weiterer Folge? Hat sich die Automotive-Branche mittlerweile darauf eingestellt?

Florian Danmayr: Die Verwerfungen, die der erste Lockdown 2020 nach sich zog, waren enorm, die Probleme vielschichtig. Grenzen wurden plötzlich geschlossen und der gewohnte Waren- und Personenverkehr kamen mit einem Schlag zum Erliegen. Die global vernetzte Automobilzulieferindustrie war davon besonders stark betroffen. Diese massiven Einschränkungen sind vorbei, gestörte Lieferketten sind geblieben. Mit Schuld ist daran sicher auch teilweise, dass im Zuge des Lockdowns Planzahlen drastisch nach unten korrigiert wurden. Beim unerwartet schnellen Aufschwung konnten dann die Player entlang der Wertschöpfungskette nicht rasch genug reagieren.

Derzeit gilt der Chipmangel über alle Branchen hinweg als problematisches Thema und selbstverständlich betrifft das auch die Automobil-Zulieferindustrie. Doch mittlerweile gibt es auch bei Rohstoffen eine angespannte Situation. Beispielsweise klagen metallverarbeitende Betriebe über Verzögerungen bei Magnesium-Lieferungen oder ähnlichen Stoffen, welche zur Produktion von Automotive-Einzelteilen benötigt werden. Wie ernst ist diese Situation und welche Anforderungen stellen sich hierbei an die Transportindustrie?

Die Chipkrise ist die markanteste Auswirkung der oben beschriebenen Spirale aus massiver Reduktion von Forecasts zum einen und schneller Erholung der Nachfrage zum anderen. In unterschiedlich starker Ausprägung gilt dieser Mangel aber quer über viele Produkte und Rohstoffe hinweg. Magnesium ist tatsächlich ein weiterer Rohstoff, der durch reduzierte Abbauraten in China für Europa knapp werden könnte. Eine eindeutige Auswirkung auf die heimische Stahl- und Aluminiumindustrie kann noch nicht genannt werden. Wichtig ist, dass Transporte entsprechend rasch, zuverlässig und zu planbaren Kosten stattfinden können. In einer Situation von hohen Rohstoffpreisen und reduzierten Absatzmengen ist jede Erhöhung der Kosten in der Wertschöpfungskette für die Zulieferindustrie kritisch.

Die Region Oberösterreich gilt als ein regelrechter Automotive-Cluster: Zahlreiche Firmen in unterschiedlichsten Größen haben sich auf die Produktion unzähliger Automotive-Komponenten spezialisiert. Egal ob innovatives Batterietechnik-Startup, familiengeführter Schlosserbetrieb oder große Produktionslinien für namhafte LKW-Hersteller – die Automobilindustrie ist ein essentieller Teil der oberösterreichischen Wirtschaft. Woher kommt diese starke Position und welchen Vorteil bietet hierbei die geographische Lage, mitten im Herzen Europas?

Oberösterreich war und ist ein Hightech-Standort. Neben einer Industrie mit starken Leitbetrieben, sind auch die exzellent ausgebildeten Fachkräfte ein zentraler Erfolgsfaktor. Wir repräsentieren rund 280 Unternehmen, die 16 Milliarden Euro Umsatz im Automotive-Bereich generieren und 55.000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Nähe zu den Zentren der deutschen Automobilindustrie trägt ihr Übriges dazu bei. Rein aus logistischer Sicht gilt für Österreich allgemein, was für Oberösterreich im Kleinen gilt – ein zentraler Knoten im Nord-Süd- und Ost-West-Verkehr.

Diese Firmen sind in ihrem jeweiligen Geschäftsfeld führend und genießen weltweites Renommee. cargo-partner wiederum gilt als mittelständischer Logistiker mit weltweiter Abdeckung. Welche Erwartungen stellen die zahlreichen Automotive-KMUs an ihre Transportpartner und welche Werte machen eine gute Zusammenarbeit aus?

Die internationale Vernetzung in der Automobilindustrie ist ohne Vergleich. Klein- und Mittelbetriebe sind genauso dazu angehalten, ihre Produkte weltweit zu beziehen bzw. zu vertreiben. In großen Konzernstrukturen lässt sich der Aufbau eigener Kompetenzen im Logistikbereich rechtfertigen. In kleineren Strukturen ist das unverhältnismäßig, weshalb es verlässliche Partner braucht, die die globalen Spielregeln, Gesetze, Richtlinien und Prozesse kennen. Insofern sind Logistiker ein entscheidender Baustein für Automotive-Zulieferer, um auf dem internationalen Parkett mitspielen zu können.

"In großen Konzernstrukturen lässt sich der Aufbau eigener Kompetenzen im Logistikbereich rechtfertigen. In kleineren Strukturen ist das unverhältnismäßig, weshalb es verlässliche Partner braucht, die die globalen Spielregeln, Gesetze, Richtlinien und Prozesse kennen. Insofern sind Logistiker ein entscheidender Baustein für Automotive-Zulieferer, um auf dem internationalen Parkett mitspielen zu können."

Florian Danmayr über die Ansprüche, welche mittelständische Automotive-Betriebe an ihre Logistikpartner stellen.

 

Transport und Logistik stehen im Automotive-Sektor vor ganz besonderen Herausforderungen. Ob „just-in-time“ oder „just-in-sequence“ – die Lieferketten sind hochkomplex und detailliert aufeinander abgestimmt. Wie haben sich diese Systeme bewährt, welche Risiken bringen sie mit sich? Was könnte die Zukunft in diesem Punkt noch bereithalten?

Die genannten Konzepte haben sich über viele Jahre in der Industrie etabliert – auch getrieben aus der Motivation, Finanzkennzahlen zu optimieren. Die Gefahr, dass Lieferketten ausfallen und Produktionen – in dem Fall Absatzpotential – stillstehen, ist aber akuter und konkreter geworden. Insofern wird es im Sinne einer neuen Risikobewertung zu Anpassungen kommen – Working Capital maximal zu optimieren, wird nicht mehr oberste Prämisse sein können.

Dass hochkomplexe Lieferketten auch riskant sein können, hat die Pandemie eindrucksvoll bewiesen. In diesem Zusammenhang wurde auch oft der Trend zum Near-Shoring genannt. Viele Firmen überlegen, unabhängiger zu werden und nicht ausschließlich in China oder Südostasien zu produzieren. Stattdessen werden die Länder des Balkans, die Türkei oder die Ukraine als mögliche neue Standorte genannt. Das Ziel lautet, die Fertigung näher an die Mutterbetriebe in Europa zu bringen. Wie beurteilen Sie diese Bestrebungen?

Hier bin ich in der Einschätzung ein wenig vorsichtig. Produktion in China ist ja oftmals nicht ausschließlich wegen Kostenfragen dort verortet, sondern auch, weil dort der Markt ist und es darüber hinaus Local-Content-Forderungen (Anm. Gesetzliche Regelung, die vorgibt, dass ein bestimmter Teil der Ware im Inland gefertigt sein muss) gibt. Demnach ist es sinnvoll, nahe an oder in den größten Weltmärkten zu produzieren – insofern wird das bleiben. Dort, wo reine Kostenargumente zählen, sehe ich einen Trigger in Richtung Near-Shoring durch unsere Klimaziele. Sobald es einen CO₂-Preis (inklusive Transport) gibt und dies in die Kalkulation einfließen muss, werden die Karten neu gemischt. Das ist eine große Chance für die Produktion in Europa.

Die Automotive-Industrie sieht einer nachhaltigen Transformation entgegen. Weg von Verbrennungsmotoren und hin zu alternativen Antriebsformen. Mit der Fertigung von Volta Trucks in Steyr, aber auch mit dynamischen Start-Ups wie Kreisel Electric, zeigt sich, dass die passenden Strukturen in Oberösterreich vorhanden sind. Doch sind alle lokalen Automotive-Betriebe für den Wandel gerüstet?

Dieser Wandel kommt nicht von heute auf morgen. Die Unternehmen in der Branche richten ihre Strategien seit Jahren danach aus, der Transformationsdruck ist aber je nach Kompetenzen und hergestelltem Produkt unterschiedlich stark. Insofern lautet meine Einschätzung, dass alle auf dem Weg sind, jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt unterschiedlich weit gekommen sind. Als Cluster stellen wir ein Ökosystem zur Verfügung, das auf diesem Pfad über Kooperationen unterstützt und die Innovationskraft stärkt.

Wir danken für das Interview

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