Kontakt Flappe öffnen
Ein Gespräch mit Torsten Wefers, Director Cargo am Köln/Bonn Airport (CGN)

“Solch eine rasante und anhaltende Entwicklung haben wir nicht erwartet.”

Der Köln Bonn Airport (CGN) ist sowohl im Passagier- als auch im Frachtbereich einer der wichtigsten Verkehrsflughäfen in Deutschland. Ein besonders wichtiges Standbein ist die Luftfracht, die auch während der Pandemie stabil verlaufen ist. 2021 wurde mit rund 986.000 Tonnen ein neuer Rekordwert an Gütern umgeschlagen. Wir nahmen diese Entwicklungen zum Anlass, um uns mit Torsten Wefers, Director Cargo, über die Folgen der Pandemie im e-commerce, Forschungsprojekte zu Transportdrohnen und der vergleichsweise umweltfreundlichen Orientierung des Flughafens zu unterhalten.

Interviewer: 2020 haben sie trotz COVID-19 mit 863.000 Tonnen Frachtumschlag einen neuen Rekord beim Frachtaufkommen vermelden können. Wie sieht die Lage für 2021 aus? Können Sie uns schon einen ersten Einblick in die Trends und Entwicklungen im vergangenen Geschäftsjahr geben?

Torsten Wefers: Auch 2021 hat sich cargo-seitig für den Flughafen Köln/Bonn überaus erfolgreich entwickelt. Mit 986.000 t Umschlag wurde ein neuer Rekord erzielt. Insgesamt haben im letzten Jahr ca. 60 Airlines Fracht nach/von CGN transportiert, darunter viele Neukunden.

Mit dem Corona-bedingten völligen Zusammenbruch der Passagierzahlen kam es zu einer umfangreichen Reduktion des Luftfrachtumschlags. Zeitgleich suchen Freight Forwarder händeringend nach freien Transportkapazitäten. Wie haben Sie diesen noch nie dagewesenen Umbruch aus Sicht eines Flughafens, „1. Reihe fußfrei“ erlebt? Hatte ihr Flughafen in seinen Schubladen ein Notfallkonzept für ein Pandemie-Szenario in diesem Ausmaß?

Im Gegensatz zu den klassischen Cargo-Hubs mit hohen Belly-Aufkommen wie z.B. AMS oder FRA haben wir in CGN, mit nahezu 100% Frachteraufkommen, keine signifikanten Reduktionen verzeichnet, sondern haben vielmehr von dem beschriebenen Umbruch profitiert. Teilweise verzeichnete Köln/Bonn monatliche Cargo-Wachstumsraten von über 20%.

Entsprechend bestand - und besteht weiterhin - die Herausforderung Konzepte für die die kurzfristige Anpassung bzw. Optimierung der operativen und kapazitativen Rahmenbedingen zu entwickeln und diese umzusetzen.

Seit es wiederholt zu Lockdowns kommt, gibt es seitdem einen E-Commerce-Boom: viele Konsumenten haben wie verrückt Waren online bestellt. Wie hat sich diese Entwicklung bei Ihnen in der Luftfracht bemerkbar gemacht? Wie werten Sie in diesem Zusammenhang chinesische Bestrebungen einen Flughafen in der Region als eigenen e-Commerce-Hub zu gestalten? Wie betrachten Sie die Pläne des Onlinehändlers Amazon mit „Prime Air“ seine eigene Frachtflugzeugflotte zu erweitern?

Durch den großen Anteil der Express-Fracht spielt E-Commerce bereits seit vielen Jahren eine sehr große Rolle in CGN. Diese Entwicklung hat sich in den letzten drei Jahren nochmals verstärkt. Amazon Air betreibt seit 2019 ein „Air Gateway“ in Köln/Bonn, aktuell werden acht tägliche Flüge mit B737-Frachtern von/zu diversen europäischen Destinationen operiert. CGN wird als wichtiger E-Commerce-Standort sicherlich auch von der weiteren Amazon Air-Entwicklung profitieren. Ein weiterer Ausbau von CGN steht entsprechend im Zusammenhang mit den angesprochenen Flottenerweiterungsplänen. Darüber hinaus führen wir aktuell auch Gespräche mit weiteren E-Commerce Playern über die Ansiedlung von Flügen bzw. Aktivitäten in CGN.

Im Frühjahr 2021 haben Sie eine Partnerschaft mit dem Flughafen Chicago Rockford verkündet. Worin besteht die Zusammenarbeit? Sind weitere Partnerschaften mit anderen Flughäfen geplant?

Die Zusammenarbeit besteht hauptsächlich im beidseitigen Austausch von Know-How in den Bereichen Betrieb, Real Estate, Personal und Marketing/Vertrieb. Auf Basis von gemeinsamen Vertriebsaktivitäten soll eine regelmäßige Frachterverbindung zwischen beiden Airports etabliert werden. Eine weitere Partnerschaft besteht mit dem westchinesischen Flughafen Urumqi.

Nach einem ersten Schreck und verbunden mit der Entwicklung erster Schutzimpfungen, kam es bei den weltweiten Lieferketten zu einem „Transport-Backlash“ aufgrund des Wiederanstiegs der Weltkonjunktur. Hand auf’s Herz: haben Sie mit solch einem „Boom“ in der Luftfracht gerechnet?

Nein, auf keinen Fall. Es zeichnete sich natürlich sehr schnell ein positiver Trend ab, aber solch eine rasante und dauerhaft anhaltende Entwicklung haben wir nicht erwartet.

"Von der ersten Kontaktaufnahme bis zum ersten Import-Charter lagen weniger als drei Wochen. Dies zeigt sehr anschaulich, die Vorteile eines mittelgroßen Logistikers. Aufgrund der flachen Hierarchien und schnellen Entscheidungswege konnte die Operation so schnell in CGN aufgesetzt werden."

Torsten Wefers über die Zusammenarbeit zwischen CGN und cargo-partner.

Wir bieten umfangreiche Luftfracht-Services

cargo-partner hat 1983 als Luftfrachtspezialist am Wiener Flughafen begonnen. Seit den Anfangszeiten ist das Unternehmen nicht nur markant gewachsen sondern auch viele langjährige Partnerschaften entstanden, die maßgeblich zum Erfolg des internationalen Logistikunternehmens beigetragen haben. Aus diesem Grund profitieren unsere Kunden von einem nahtlosen Netzwerk mit höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards.

MEHR INFORMATIONEN

Zuletzt haben cargo-partner und Köln Bonn Airport ihre Partnerschaft mit dem Charterservice von Zhengzhou nach CGN zusätzlich vertieft. Wie sehen Sie die Kooperation zwischen den beiden Unternehmen – und wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit einem mittelgroßen Logistikanbieter wie cargo-partner von der Kooperation mit den „Riesen“ der Branche?

Wir sind natürlich hoch erfreut über diese neue Kooperation und die Abwicklung der regelmäßigen und ad-hoc cargo-partner Charter in CGN. Zunächst war Köln/Bonn als kurzfristige Alternative zum Flughafen Frankfurt geplant. Von der ersten Kontaktaufnahme bis zum ersten Import-Charter lagen weniger als drei Wochen. Dies zeigt sehr anschaulich, die Vorteile eines mittelgroßen Logistikers. Aufgrund der flachen Hierarchien und schnellen Entscheidungswege konnte die Operation so schnell in CGN aufgesetzt werden. Insbesondere mit dem cargo-partner Team in Düsseldorf gab und gibt es einen sehr engen und regelmäßigen Austausch. Entsprechend freuen wir uns, dass die Charteroperation bis mindestens Mitte 2022 in CGN verbleiben wird.

China verstärkt im Moment seine Bemühungen in Bezug auf die „Neue Seidenstraße“. Die Ausdehnung der Schienenverbindung durch Zentralasien und Russland ist allein schon aufgrund ihrer Geschwindigkeit beeindruckend. Auch aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Angebot der „Iron Silk Road“ sehr stark in Anspruch genommen. Könnte der Bahntransport in manchen Bereichen zu einer Umverteilung der globalen Warenströme führen?

Aus meiner Sicht ist es noch zu früh, um hier eine verlässliche Aussage zu treffen. Die sogenannten „Block-Trains“ entwickeln sich sehr positiv und die Wachstumsraten sind, getrieben durch die sehr hohen Seefracht-Raten, enorm. Jedoch konnte man in den letzten Monaten auch bereits die operativen bzw. regulativen Probleme erkennen. Eine dauerhafte Umverteilung von Luftfrachtvolumen auf die Schiene erkenne ich aktuell nicht.

In der Personenbeförderung hat die Branche in den letzten zehn Jahren einen echten Wandel erlebt: Aktualisierung des Flugstatus in Echtzeit, moderne Online-Buchungssysteme, Self-Check-in und Verschwinden von Papiertickets. Andererseits wird der Luftfrachtbranche in diesem Bereich ein Nachhinken nachgesagt. Wie beurteilen Sie als Flughafen mit signifikantem Frachtumschlag diese Digitalisierungsvorhaben?

Auch der Flughafen CGN befürwortet bzw. ist aktiv an zahlreichen Digitalisierungsvorhaben beteiligt. Diese Entwicklung ist seit langen überfällig und hat nun insbesondere durch die Corona-Pandemie aber auch durch die rasante E-Commerce Entwicklungen einen enormen Schub erhalten. Aktuell arbeiten wir an mehreren Projekten in den Bereichen Prozessmanagement und Infrastruktursteuerung.

Der CGN ist auch aktiv am umfassenden Forschungsprojekt „Digitales Testfeld Air Cargo“ beteiligt, welches federführend durch das renommierte Fraunhofer Institut betreut wird. Mit der Einrichtung eines eigenen 5G-Campus-Netzwerk hat CGN hier bereits einen sehr wichtigen Baustein für die weitere Digitalisierungsoffensive geschaffen.

Momentan scheint der Warentransport mithilfe von Drohnen in aller Munde zu sein. Sehen Sie diese kleinen Verwandten der Luftfrachtbranche als einen potentiellen Konkurrenten? Zu welchem Zeitpunkt wird dies in Ihren Augen eine realistische Option sein?

Ich sehe es nicht als Konkurrenz, sondern viel mehr als Ergänzung. Insbesondere in ländlichen Gegenden bzw. Ländern mit wenig entwickelter Infrastruktur schaffen Drohnen ganz neue und zuverlässige Möglichkeiten. Der Flughafen CGN ist als multi-modaler Logistikstandort aktiv an mehreren Drohnen-Projekten bzw. Forschungsvorhaben beteiligt, insbesondere zu den Themengebieten City-Logistik und Last-Mile-Delivery.

Apropos Trends und Herausforderungen im Bereich der Luftfracht – welche Herausforderung derzeit die Größte ist, erscheint eindeutig. Doch welche werden es morgen sein? Wenn wir außerdem auf die „Welt von übermorgen“ schauen – wo sehen Sie „Köln Bonn“ bzw. Ihr Luftfrachtgeschäft in, sagen wir, 10 Jahren?

Neben dem Thema Digitalisierung sehe ich das Thema „Young Talent“ als eine sehr wichtige Aufgabe für die Logistik-Branche. Es müssen attraktive und zeitgemäße Rahmenbedungen geschaffen werden, um junge Menschen für unsere Branche zu begeistern. Nachhaltigkeit ist für den Flughafen CGN ein sehr wichtiges Thema. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen halbiert werden, nur noch Fahrzeuge mit alternativen Antrieben über das Flughafen-Vorfeld rollen und noch mehr Solaranlagen zum Einsatz kommen. Viele unterstützende Maßnahmen wurden schon umgesetzt bzw. in der konkreten Planung, zu nennen sind hier z.B. ein neues Biomasseheizkraftwerk, die Eisspeicher-Anlage im neuen DHL Hub oder auch eine Wasserstoff-Tankstelle. Als einer der ersten europäischen Airports können Fluggesellschaften in CGN Sustainable Aviation Fuel (SAF) tanken.

Last but not least wollen wir natürlich auch unser Cargo-Volumen weiter ausbauen, der Fokus liegt hier auf der Entwicklung der Tagesfrachterverkehre. Für das Jahr 2030 planen wir mit 1,5 Mio. Tonnen umgeschlagener Fracht.