Eine Farm im Container, Roboterköche, die Salate zubereiten, und Fertiggerichte aus dem 3D-Drucker – Sie denken, das klingt nach Zukunftsmusik? Um die Herausforderungen der Lebensmittellogistik von morgen zu meistern, ist in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe kreativer Ideen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Wir haben einige dieser Ideen einer genauen Prüfung unterzogen und kommen zu dem Schluss: Da gibt es ganz schön was zum Kauen.
In den nächsten fünf Jahren wird die menschliche Weltbevölkerung erstmals die Acht-Milliarden-Grenze überschreiten. Somit wird es wichtiger als je zuvor, intelligente Lösungen für die weltweite Lebensmittelversorgung zu finden. Bereits jetzt steht die globale Lebensmittelkette vor einer Reihe komplexer Herausforderungen, die sich in den kommenden Jahren noch verschärfen werden: von Klimawandel und eingeschränkten natürlichen Ressourcen bis hin zu Bienensterben und Entwaldung. Doch es gibt bereits zahlreiche innovative Ideen und Initiativen, auch diese Herausforderungen zu bewältigen. Wir haben einige der wichtigsten Trends untersucht, die maßgeblich dazu beitragen könnten, die weltweite Lebensmittellogistik zu optimieren.
Leicht gesagt, aber bedeutend schwieriger umzusetzen: Nur, wenn mehr Transparenz in die Lebensmittelkette gebracht wird, können Lebensmittelproduzenten die richtigen Entscheidungen treffen, um ihre Produktivität zu steigern. Das kroatische Startup Agrivi hat sich mit seiner cloud-basierten Farm-Management-Software dieser Aufgabe verschrieben. Konkret bietet das Unternehmen eine Plattform an, in der Bauern alle ihre Aktivitäten und Ressourcen verwalten und anhand von detaillierten Reports optimieren können. Mit fortgeschrittenen Wetter- und Schädlings-Vorhersagen soll die Planung verbessert und der Ertrag um bis zu 40% gesteigert werden. Und das alles in einer spielerisch leichten Übersicht – fast wie Farmville.
Auch im Einzelhandel und in der Gastronomie tun sich Optimierungspotenziale auf. Mit der App Food Loop können Supermärkte Produkte einscannen, die nahe ihrem Verfallsdatum sind, und zu einem Rabattpreis ihrer Wahl anbieten. Konsumenten können in Echtzeit sehen, welche Lebensmittel mit geringer Haltbarkeit und zu geringerem Preis verfügbar sind. So spart der Kunde Geld, während Supermärkte ihren Müll reduzieren. Die Plattform Winnow hilft Restaurants, ihre Kosten zu verringern, indem sie alle weggeworfenen Lebensmittel aufgezeichnet und Echtzeit-Reports zur Optimierung des Einkaufs zur Verfügung stellt. So soll die Lebensmittelverschwendung um bis zu 50% reduziert werden und Restaurants helfen, nicht nur ihre Ausgaben, sondern auch ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.
Einige gewagtere Ideen zur Optimierung der Lebensmittellogistik basieren auf dem Prinzip, den Mittelmann – also Supermarkt oder Restaurant – gleich ganz zu übergehen und die Lebensmittel direkt zum Konsumenten zu bringen. Besonders nötig haben dies Menschen, die in sogenannten Lebensmittelwüsten leben. Als „Lebensmittelwüsten“ (Englisch: food deserts) werden geographische Gebiete bezeichnet, die einen eingeschränkten Zugang zu leistbaren und nahrhaften Nahrungsmitteln aufweisen. Das Startup Freight Farms aus Boston hat einen Lösungsvorschlag für dieses Problem ausgearbeitet: Eine vertikale hydroponische Farm in einem Transportcontainer, die dorthin reisen kann, wo sie gebraucht wird. Dank dem in sich geschlossenen Ökosystem im Container ist die Qualität der Ernte vom Wetter unabhängig, und durch den lokalen Anbau werden Transportkosten eingespart.
Auch in der Mittagspause lassen sich Transportwege sparen. Wer hätte nicht gern einen Koch im eigenen Büro? Mit dem „Roboter-Koch“ von Chowbotics, soll das möglich werden. Das Debut-Modell „Sally“ kann aus 22 verschiedenen Zutaten individuelle Salate für bis zu 100 Mahlzeiten zusammenstellen. Der vollautomatisierte Salatzubereitungs-Roboter nimmt nur 77x77 cm Platz ein, wird per Touchscreen bedient und braucht weniger als eine Minute, um einen Mittagssnack aus acht Zutaten zusammenzubereiten. Und wer es noch etwas verspielter mag, kann sich den Käse im 3D-Drucker ausdrucken. Tatsächlich haben Wissenschaftler im University College in Cork, Irland im Jahr 2017 mit dieser Idee experimentiert. Herausgekommen ist dabei vorerst leider nur eine klebrige Masse – bis diese Technik perfektioniert ist, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern. Für manche Lebensmittel ist der 3D-Druck allerdings schon in realistischer Reichweite: Das deutsche Unternehmen Biozoon will 3D-Drucker in Altersheimen aufstellen, um Menschen mit Kaubeschwerden eine attraktive Alternative zu Breinahrung anzubieten. Und im Bereich der Süßwaren sind die Möglichkeiten denkbar grenzenlos. So hat die Magic Candy Factory, britische Tochterfirma von Katjes, bereits seit 2016 einen 3D-Drucker in Gebrauch, in dem sich Naschkatzen ihre eigenen Süßigkeiten designen können.
Über die Bedeutung der Temperaturkontrolle bei der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung haben wir bereits berichtet. Doch es gibt noch ein paar andere innovative Ansätze, die helfen könnten, die Menge an Müll in der Lebensmittelkette zu verringern. So zum Beispiel die essbare Wasserflasche. Tatsächlich handelt es sich bei „Oohoo“ eher um ein blasenartiges Gefäß. Die Wasserblase wurde vom Londoner Startup Skipping Rocks Lab entwickelt, besteht aus Algen und ist zu 100% essbar und biologisch abbaubar. Auch andere Getränke sowie essbare Ketchup-Päckchen hat das Unternehmen mittlerweile in sein Sortiment aufgenommen. Die transportierbaren Portionsgrößen sind derzeit aufgrund der mangelnden Robustheit des Materials noch gering, doch ist dies sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung und womöglich eine der dringend benötigten Lösungen um die beängstigende Flut an Plastikabfall zu reduzieren. Bis dahin sollten wir den Gebrauch solcher Trinkgefäße so gut es geht vermeiden.
Auch Upcycling ist eine Möglichkeit, Lebensmittelmüll zu verringern. Render Food macht trendige Gemüsecocktails aus überschüssiger Essiggurken-Lake. Snackproduzent Forager verarbeitet Fruchtfleisch, das beim Entsaften übriggeblieben ist, zu Gemüsechips. Toast Ale verwandelt überschüssiges Brot aus Bäckereien zu Craft-Bier. Und Regrained nimmt verbrauchtes Getreide von Bierbrauen und verwandelt es in Proteinriegel. Schön, wenn sich Produktionskreislaufe so harmonisch schließen lassen.
Ein Problem, das bei aller Zukunftsmusik nicht unerwähnt bleiben darf, ist der weltweite Fleischkonsum, der weiterhin ansteigt und eine massive Belastung für die natürlichen Ressourcen der Welt darstellt. Seit 1961 ist die globale Fleischproduktion um das vier-bis fünffache gestiegen und hat nachweislich negative Auswirkungen auf Abholzung, Wasserverbrauch, Biodiversität und Treibhausgasemissionen. In dieser Bilanz ist die moralische Komponente noch gar nicht inbegriffen. Über kurz oder lang wird die menschliche Bevölkerung nicht umhin kommen, die Produktion tierischer Lebensmittel zu reduzieren – sei es durch den Umstieg auf eine pflanzenbasierte Ernährung oder durch die Herstellung synthetischer Ersatzprodukte.
Eine Zwischenlösung könnte allerdings im Konsum von Insekten liegen, deren Aufzucht wesentlich weniger Futter, Wasser und Medikamente benötigt und geringere Treibhausgasemissionen verursacht als traditionelle Viehhaltung – und das bei einem signifikant hohen Eiweißertrag. In Nordamerika und Europa werden bereits essbare Insekten in spezialisierten landwirtschaftlichen Betrieben gezüchtet und unter strenger Hygienekontrolle gemäß Lebensmittelstandards für den menschlichen Verzehr produziert. Dann können sie im Ganzen verzehrt oder sie zu Mehl, Burger-Patties, Fitness-Riegeln, Nudeln oder Brot verarbeitet werden.
Haben Sie schon einmal ein knuspriges Heuschreckenbrot oder einen saftigen Burger aus Buffalowürmern probiert? Nur keine falsche Scheu! Denn eins steht fest: Die Zukunft der Lebensmittelindustrie braucht Mut zur Innovation. Hauptsache es schmeckt und macht satt!
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