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Wie Lenzing mit Blockchain-Technologie volle Transparenz schafft und zuletzt auf Zugtransporte setzt

„Eine sichere Supply Chain ist den Kunden wichtig und wird auch in Zukunft immer wichtiger“

cargo-partner und den internationalen Faserhersteller Lenzing verbinden mehr als zehn Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit. Im Oktober sendeten die beiden Unternehmen einen ganzen Zug von Österreich nach China. Wir nahmen dieses bahnbrechende Projekt zum Anlass, mit Marco Schlimpert von Lenzing über Blockchain-Technologie in Textilien, Transparenz in der Lieferkette und die Herstellung von Schutzkleidung zu sprechen.

Lenzing ist ein internationaler Faserhersteller, der seine ökologisch verantwortungsvollen Produkte aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz produziert. Nach Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Seefracht, wandte sich Lenzing kürzlich wegen einer kurzfristig steigenden Nachfrage aus China an cargo-partner und bat um eine zuverlässige Transportalternative über die Iron Silk Road. Mitte Oktober war es soweit, und ein Blockzug mit 46 40-Fuß-Containern aus nachhaltig produzierten TENCEL™-Fasern startete von Linz nach Qingdao. Sowohl Lenzing als auch cargo-partner setzen strategisch auf Schienenverkehr über die Neue Seidenstraße als umweltfreundliche, schnelle und kostengünstige Alternative zur Luft- und Seefracht. Wir nutzten den ersten gemeinsamen Ganzzug, um mit Marco Schlimpert, Vice President Performance Improvement and Technology bei Lenzing, zu sprechen.

Interviewer: Lenzing plant demnächst seinen Kunden mit Hilfe der Blockchain-Technologie eine volle Rückverfolgbarkeit seiner Waren bzw. Ausgangsstoffe anzubieten. Wie weit ist dieses Projekt vorangeschritten und bis zu welchem Detailgrad werden die Informationen bereitstehen? Erwarten Sie sich durch hundertprozentige Transparenz der Produktionsschritte mehr Nachhaltigkeit bzw. Kundenzuspruch?

Marco Schlimpert: Die Lenzing Gruppe steht für eine ökologisch verantwortungsbewusste Erzeugung von Spezialfasern, die größtenteils in Textilien, aber auch in Hygieneprodukten zum Einsatz kommen. Ihr großer Vorteil: Neben der hohen Ressourceneffizienz durch geschlossene Produktionskreisläufe bauen sich holzbasierte Fasern am Ende ihres Lebenszyklus biologisch ab. Bis aus dem Rohstoff ein fertiges Kleidungsstück wird, durchläuft das Erzeugnis allerdings ein riesiges Netzwerk an Produzenten, Distributoren und Retailern. Die Transparenz bleibt dabei häufig auf der Strecke, sehr zum Leidwesen der Konsumentinnen und Konsumenten und der Umwelt.

Um die Lieferkette transparenter zu machen, haben wir im Mai 2019 mit TextileGenesis™ auf Basis der Blockchain-Technologie das Projekt „Blockchain Transparency & Traceability“ gestartet. Gemeinsam mit TextileGenesis™ verfolgen wir das Ziel, ein bisher unerreichtes Maß an Transparenz für Modemarken und Konsumenten zu schaffen. Der Einsatz der Blockchain-Technologie wird uns ermöglichen, die digitale Rückverfolgung von Fasern zu maximieren und somit einen wichtigen Beitrag zur Ökologisierung der Modebranche zu leisten. Diese Technologie ermöglicht allen Kunden und Partnern, Fasern der Marke TENCEL™ und die jeweilige Holzquelle in jedem Produktions- und Vertriebsschritt bis zu den fertigen Textilien zu identifizieren. Darüber hinaus bietet die neue Technologie Konsumentinnen und Konsumenten auch die Möglichkeit, die Zusammensetzung eines Kleidungsstückes sowie die dahinterliegende textile Lieferkette vor dem Kauf durch einfaches Scannen eines Barcodes zu überprüfen.

Dank der Blockchain-Technologie haben wir die Zusammensetzung, Herkunft und Menge unserer Fasern genau überprüft, um unseren Kunden das Vertrauen zu geben, dass sie tatsächlich authentische Produkte von Lenzing verwenden. Zusammen mit TextileGenesis™ und bekannten Modemarken werden wir im November 2020 eine Plattform für den kommerziellen Einsatz lancieren. Lenzing arbeitet Seite an Seite mit vielen Partnern für das Ziel, die Wertschöpfungskette vom Baum bis zum Kleidungsstück transparenter zu machen.

Tracking und Transparenz entlang der gesamten Supply Chain sind in Transport und Logistik ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Was erwartet Lenzing sich in dieser Hinsicht von seinem Logistikpartner?

In erster Linie erwarten wir von unseren Logistikpartnern Liefersicherheit. Eine sichere Supply Chain ist den Kunden wichtig und wird auch in Zukunft immer wichtiger. Daher haben wir auch schon früh andere unabhängige Plattformen evaluiert, die unseren Kunden und internen Stakeholdern gegenüber mehr Datentransparenz bieten. Nur so kann auf Unterbrechungen in der Supply Chain rechtzeitig reagiert werden.

Ihre Transportgüter werden von cargo-partner in Container verschifft. Im Laufe der COVID-19-Lockdowns im Frühjahr 2020 entschieden sich Reedereien, Kapazitäten vom Markt zu nehmen bzw. mit „Slow Steaming“ die Laufzeiten zwischen Asien und Europa zu verlängern. Auch Containermangel war bei Transporten Richtung Ostasien ist ein Thema. Wie hat Lenzing diese Herausforderung im Rahmen der globalen Lieferketten überstanden?

Lenzing hat sich in diesen schwierigen Zeiten auf ihre langfristigen Partner verlassen können. Gemeinsam konnten geeignete Maßnahmen getroffen werden, um Schiffsraum und Equipment zu sichern. So konnten wir zu jeder Zeit unsere Kunden beliefern. Nach den Lockdowns in den betroffenen Ländern entstand sehr schnell eine hohe Nachfrage an unserer Ware, die wir mit anderen Maßnahmen – wie strategische Lager in den Ländern, Züge nach China – erfüllen konnten.

Haben diese Entwicklungen dazu beigetragen, dass Schienentransporte über die Neue Seidenstraße für Sie zu einer attraktiveren Alternative geworden sind? Könnte sich diese Transportvariante – wie unlängst mit dem Blockzug von Linz nach Qingdao – zu einer dauerhaften Lösung entwickeln?

Um auch die eigenen Logistikprozesse in Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele zu optimieren und den Lieferservicegrad weiter zu verbessern, testet Lenzing aktuell eine vermehrte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Als erstes österreichisches Unternehmen sendete Lenzing im 3. Quartal 2020 zu 100 Prozent in Österreich produzierte Ware per Zug direkt nach China. Die in Wien und Linz gestarteten Züge legten auf ihrer gut zweiwöchigen Reise je über 10.000 Kilometer zurück und transportierten Container mit Lyocell- und Modalfasern der Marke TENCEL™ nach China. Der Transport mit dem Zug ist in etwa doppelt so schnell wie der übliche Seeweg, der mehrere Wochen in Anspruch nimmt.

“Lenzing hat sich in diesen schwierigen Zeiten auf ihre langfristigen Partner verlassen können. Gemeinsam konnten geeignete Maßnahmen getroffen werden, um Schiffsraum und Equipment zu sicher.” 

Marco Schlimpert über die Erwartungen die Lenzing an seinen Logistikpartner stellt

 

Während diverser Corona-Lockdowns litt die internationale Modebranche bzw. der Modehandel unter stark gesunkenem Konsuminteresse. Zeitgleich stieg der Bedarf an Schutzbekleidung in OPs, Gesichtsmasken, Desinfektionstüchern, o.ä. Hat Ihr Unternehmen im Gegenzug in diesem Bereich eventuell von der Krise profitieren können?

Lenzing sah sich im ersten Halbjahr 2020 einem äußerst schwierigen Marktumfeld mit erhöhtem Preis- und Mengendruck infolge der COVID-19-Krise gegenüber. Um der geforderten Flexibilität Rechnung zu tragen, intensivierten wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern und passten die Produktionsmengen und Preise den Marktgegebenheiten an. Neben den niedrigen Preisen sank auch die Nachfrage nach Textilfasern aufgrund von geschlossenen Bekleidungsgeschäften im Rahmen der Lockdowns in vielen Regionen. Die etwas höhere Nachfrage nach Fasern für den Medizin- und Hygienebedarf konnte die Verluste aus dem Textilgeschäft verringern, aber nicht kompensieren.

Lenzing und cargo-partner sind durch eine enge und langjährige Partnerschaft verbunden. Wie sehen Sie die Kooperation zwischen den beiden Unternehmen – und wie unterscheidet sich die Arbeit mit einem mittelgroßen Logistikanbieter wie uns von jener mit den „Big Players“ in der Transportbranche?

Partnerschaften nehmen bei Lenzing einen hohen Stellenwert ein und sind auch in unserer Unternehmensstrategie sCore TEN fest verankert. Lenzing ist ein verlässlicher Partner für alle Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wir schauen über unsere Fasern hinaus, auf die Bedürfnisse unserer Kunden und Partner sowie auf die Bedürfnisse der Konsumenten weltweit. Wir sind überzeugt, dass wir die Herausforderungen in unserer Branche nur meistern können, wenn wir aufeinander hören, Erkenntnisse austauschen und zusammenarbeiten. Aus diesem Grund schätzen wir die langjährige Zusammenarbeit.

Wir danken für das Interview.