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Wie realistisch ist eine Schienenfrachtverbindung zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer?

Eine Schienenalternative zum Suezkanal?

Die Blockade des Suezkanals im März 2021, für die das Containerschiff „Ever Given“ verantwortlich war, hat in beeindruckender Weise sichtbar gemacht, wie verwundbar der Kanal als „Nadelöhr“ internationaler Lieferketten ist. Doch was könnte man im Falle einer hypothetischen Wiederholung tun, um eine folgenschwere Blockade aufzulösen? Zuletzt haben manche Stimmen auf eine alternative Möglichkeit per Schiene hingewiesen, denn Ägypten plant eine moderne Gleisverbindung von Al Sokhna, direkt bei der südlichen Kanaleinfahrt, nach El Alamein am Mittelmeer. Wie sinnvoll wäre so eine Verbindung und wie praktikabel erweist sich dieser Plan, wenn die größten Containerschiffe bei ihrer Kanaldurchfahrt oftmals über 20.000 Container geladen haben?

Vernünftige Routenführung verbindet Hotspots

Die Hochgeschwindigkeitsstrecke ist schon seit längerer Zeit in Planung und im September 2020 erhielt ein ägyptisch-chinesisches Konsortium aus mehreren Unternehmen den Zuschlag für den Bau. Auffallend: auch bei diesem Projekt zeigte sich Chinas reges Interesse daran, bei der Umsetzung großer Infrastrukturvorhaben auf dem afrikanischen Kontinent zum Zug zu kommen. Die Verbindung von Al Sokhna mit El Alamein stellt ein Megaprojekt dar, das sowohl den Personen- aber auch den Güterverkehr betreffen soll. Nach dem Suez-Zwischenfall geriet das Projekt auch als Frachtverbindung ins Gespräch. Plötzlich war nicht mehr nur die Rede davon, Einheimische und ausländische Gäste effektiv zwischen den Kultur-Hotspots Alexandria und Kairo bzw. den Tourismuszentren entlang des Roten Meeres zu transportieren.

Großes Infrastrukturprojekt

Die Gesamtinvestition für dieses Projekt allein soll neun Milliarden US-Dollar kosten und es gilt als das Herzstück einer umfassende Renovierungs- und Modernisierungsinitiative des ägyptischen Bahnsystems. Dieses war bisher, gelinde gesagt, in einem klar verbesserungswürdigen Zustand. Zudem gilt die projektierte Strecke als größte und längste Eisenbahnstrecke im Nahen Osten und als bedeutendstes bahnbezogenes Vorhaben Ägyptens seit der Eröffnung der ersten Schienenverbindung im Jahr 1854. Die auf dieser Strecke verkehrenden Züge sollen mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h unterwegs sein. Darüber hinaus werden die beteiligten chinesischen Unternehmen im Rahmen der Gesamtplanung mit der National Egyptian Railways Industry Company (NERIC) zusammenarbeiten, um in Port Said – einer bedeutenden Industriestadt direkt am Suezkanal – die zum Einsatz kommenden Eisenbahnwaggons vor Ort herzustellen. Auch die deutsche Siemens Mobility kam bei der Ausschreibung zum Zug.

Ein vollwertiger Ersatz?

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das Projekt den Gütertransport rund um den Suezkanal revolutionieren wird. Bei dem Vorhaben geht es vor allem um die Beförderung bzw. Modernisierung des Personenverkehrs im Rahmen eines breiter angelegten Investitions- und Entwicklungsprogramms. Der Güterverkehr würde natürlich davon profitieren, aber seine hypothetische Nutzung als Suezkanal-Ersatz ist klarerweise eine „Träumerei“ und zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Überlegung gewesen.
Auch wenn der CEO einer der am Bau beteiligten Firmen erklärt hat, das Bahnprojekt könne als „Binnen-Suezkanal“ mit einer Transitzeit von nur drei Stunden funktionieren, ist es unrealistisch, über eine Eisenbahn-Alternative zum Suezkanal zu sprechen – und dies hat gute Gründe.

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In keiner Weise eine Alternative

Dass diese Gleisverbindung niemals die gleiche Bedeutung erlangen wird, ergibt sich schon aus einen Blick auf die nackten Zahlen. Allein die gestrandete „Evergreen“ transportiert üblicherweise auf einen Schlag mehr als 18.000 Container, gehört damit aber nicht zu den aktuell größten Schiffen. Um die Ladung eines solchen Schiffes auf der Schiene zu transportieren, bräuchte man eine nicht unerhebliche Menge an Waggons und Lokomotiven. Selbst wenn man nicht vom Extrembeispiel mit einem „Ultra Large Container Vessel“ der Megamax-Klasse (bis knapp unter 24.000 Container Fassungsvermögen) ausgeht, zeigt sich auf beeindruckende Weise die Relation in der Leistungsfähigkeit.

Andererseits befördern die durch den Suezkanal fahrenden Schiffe im Durchschnitt nur einen Bruchteil der einem Schiff der Megamax-Klasse möglichen 20.000 TEUs. Überschaubare Mengen von TEUs, wären mit der Bahn bereits viel einfacher zu handhaben. Vorausgesetzt, die passende Hafeninfrastruktur ist vorhanden und der Fahrplan bietet ausreichende Verbindungen, die pünktlich eingehalten werden. Doch bis es soweit ist, dass von einer effizienten Lösung gesprochen werden kann und selbst ein verhältnismäßig kleines Schiff durch mehrere Güterzüge ersetzt wird, muss einiges beachtet werden. Verlader und Logistikunternehmen müssen die Gesamtzeit für Um, Be- und Entladevorgänge bei ihrer Berechnung miteinbeziehen. Selbst wenn die Strecke für eine komplette Fahrt drei Stunden benötigt, würden all diese Schritte zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen. Berücksichtigt man womöglich auch Zwischenstopps im Bahnbetrieb, dann würde der gesamte Prozess vom Roten Meer bis zum Mittelmeer viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als zunächst geschätzt. Ob es dann am Ende schneller als die 12-stündige Durchfahrt des Suez geschieht, muss in der Praxis geprüft werden. Auch die Kostenfrage wäre an dieser Stelle nicht zu vernachlässigen.

Kein Ersatz – aber eventuell ein Zusatz

Nach Angaben der Projektkoordinatoren könnte der „Suezkanal auf Gleisen“ maximal bis zu fünf Prozent des Volumens seines Gegenstücks auf dem Meer aufnehmen. Somit wäre er eher für Ägyptens Transportwirtschaft von Interesse und Al Sokhna könnte zu einer Alternative zu Alexandria werden. Alexandria besitzt zwar weiterhin den größten Seehafen des Landes, an dem etwa 80 % des ägyptischen Außenhandels abgewickelt werden. Mit dem neuen Umschlagsplatz an der Südeinfahrt des Suez-Kanals könnte jedoch ein neues „Handelstor“ entstehen, welches zudem beide Städte verbindet und dabei auf halbem Wege auch die Hauptstadt Kairo bzw. die Ballungszentren des nordafrikanischen Landes erschließt.

Ebenfalls eine mögliche, wenngleich eher unorthodoxe Überlegung: Eine aktive und zuverlässige Bahnverbindung könnte beispielsweise in Notfällen, ähnlich wie bei der Blockade im März, die globale Lieferkette entlasten. Wenn schon nicht in der Abfertigung von zehntausenden Containern, dann immerhin bei der zielgerichteten Weitergabe bestimmter, dringend benötigter Güter. Empfindlichere Ladungen könnten auf diese Weise möglicherweise kostengünstig auf die Schiene umgeladen werden um danach, am Mittelmeer angekommen, zum Zielort weiterverfrachtet zu werden. Inwieweit diese Überlegung umsetzbar wäre, lässt sich schwer sagen und ist daher aus derzeitiger Sicht eher als Phantasterei abzutun.

Upgrade für die Region

Eines zeigt sich aber klar: Das Projekt wird sowohl für Ägypten als auch für Nordafrika von großer Bedeutung sein und womöglich als Katalysator für den afrikanischen Schienengüterverkehr agieren – und das abseits von Suez-Kanal, Megamax-Schiffen und überzogenen Erwartungen.

Der Suezkanal und die Eisenbahn

  • Bereits 1833 stellte der damalige Herrscher Ägyptens, Muhammad Ali Pascha, Überlegungen über den Bau einer Eisenbahn an, um den Transit zwischen Europa und Indien zu erleichtern. Die Schienen waren bereits gekauft, als das Projekt nach französischem Druck gestoppt wurde, da Frankreich kein Interesse an einem Konkurrenzprojekt zum Suezkanal hatte.
  • Dennoch beschloss man etwas später, Alexandria und Kairo auf dem Schienenweg zu verbinden. Der erste Teil dieser Strecke zwischen Alexandria und Kafr az-Zayyat wurde 1854 eröffnet, die komplette Strecke zwei Jahre später. Es war die erste Bahnstrecke in Afrika und dem Nahen Osten.
  • Der Suezkanal wurde seit 1918 immer wieder von Eisenbahnbrücken überquert. Die erste Brücke über den Suezkanal wurde gegen Ende des Ersten Weltkriegs eröffnet, später aber als den Schiffsverkehr störend wieder abgetragen. Nachfolgende Brücken wurden danach im Zuge von Konflikten wiederholt zerstört.
  • Die im Jahr 2001 wieder errichtete El-Ferdan-Brücke ist derzeit die weltweit größte Eisenbahndrehbrücke. Nachdem in den Jahren 2014/2015 der neue Suez-Kanal etwas östlich der Brücke eröffnet wurde und sich dort keine Brücke befindet, ist die Bahn über die El-Ferdan-Brücke derzeit stillgelegt. Die Brücke ist nun dauerhaft für den Schiffsverkehr „aufgeklappt“.
  • Eine zweite Drehbrücke in ähnlicher Ausführung zur Weiterführung der zurzeit stillgelegten Bahnstrecke befindet sich seit 2019 im Bau.
  • Zudem werden zwei neue Bahntunnel unterhalb des Kanals geplant. Die tatsächliche Umsetzung ist aber derzeit noch offen.